Ein Heiliger besucht seine Partnerstadt Gevelsberg
Ein Heiliger besucht seine Partnerstadt Gevelsberg
In Butera folgen ihm 30.000 Menschen, wenn er durch die Stadt zieht. Nun besucht der Schutzpatron zum ersten Mal die Partnerstadt seiner italienischen Heimat. Die Rede ist von San Rocco, der die Menschen von der Pest geheilt und Butera vor einem verheerenden Erdbeben bewahrt haben soll. Aus einem ganz besonderen Anlass heraus verlässt er – oder besser gesagt eine Reliquie des Heiligen – nun Butera, um eine Prozession durch Gevelsberg anzuführen.
„Ich weiß es nicht“, zuckt Carmelo Dellaria von der Italienischen Gemeinde in Gevelsberg, wenn er gefragt wird, wie viele Menschen er zu der Prozession am Samstag, dem 10. Mai, erwartet. Gefragt wird er in diesen Tagen oft. Was sich an diesem Wochenende abspielt ist so einzigartig, dass die Anziehungskraft schwer einzuschätzen ist. Dass die Reliquie überhaupt ihren angestammten Platz verlassen durfte, dafür musste der Vatikan seine Zustimmung erteilen. Erst als der Bischof die Verantwortung für die Reise übernahm, war der Weg nach Gevelsberg frei.
Die Reliquie reist mit speziellen Papieren, um als Bordgepäck mit in der Kabine des Jets einen Platz zu bekommen. Begleitet wird sie unter anderem von Don Emilliano di Menza, dem Pfarrer der Kirche San Rocco in Butera und, dem Bürgermeister Giovanni Zuccala sowie Helfern, die sich auch auf Sizilien um die Reliquie kümmern.
San Rocco – so die Überlieferungen – lebte von 1295 bis 1379. Er war eigentlich Franzose und wurde in Montpellier geboren. Als junger Mann verschenkte der Heilige sein Vermögen und machte sich auf die Reise nach Italien. Unterwegs heilte er viele Pestopfer nur mit dem Zeichen des Kreuzes. Auf dem Rückweg steckte sich San Rocco jedoch selbst mit der Pest an. Er versteckte sich in einer Höhle, um nicht mit vielen Menschen in Kontakt zu kommen, die ihn damals schon verehrten. Ein Hund nahm sich seiner an. Der Vierbeiner stibitzte einem Bauern regelmäßig einen Laib Brot, um ihn San Rocco zu bringen.
Eines Tages erschien dem Heiligen ein Engel, der ihm mitteilte, er könne nun weiterziehen, da er geheilt sei. San Rocco machte sich erneut auf den Weg nach Montpellier. Wegen seiner vielen, entstellenden Pestnarben erkannte niemand den Freund aus alten Tagen. Im Gegenteil: Die Menschen hielten ihn für einen Spion und warfen den Heiligen ins Gefängnis. Dort verbrachte der alte Mann, der das als Gottes Prüfung ansah, fünf Jahre bis zu seinem Tode. Erst dann erkannten die Franzosen ihren Fehler. San Rocco hatte seit seiner Geburt ein kreuzförmiges Mal auf seiner Brust, das man erst kurz vor der Beisetzung entdeckte.
Das ist – in kurzen Worten – die Geschichte von San Rocco. In Butera war der Heilige eigentlich nie. Dafür regierte die Stadt einst ein Prinz von Montpellier, der das Vertrauen in die Kraft von San Rocco sozusagen mitgebracht hatte. Der Franziskaner-Mönch Angelico Spaccaforno stiftete die heute berühmte Reliquie – ein Knochenfragment des Heiligen San Rocco. Und das war gut so.
1693 zerstörte ein verheerendes Erdbeben fast ganz Sizilien. 60.000 Menschen – so moderne Schätzungen - mussten sterben. Butera und die Nachbarstadt Gela wurden wie durch ein Wunder verschont. Nur die Fürsprache des heiligen San Rocco könne solch ein Wunder bewirkt haben, war die feste Überzeugung der gläubigen Sizilianer. Seitdem pilgern die Einwohner von Gela barfuß nach Butera, um dem Heiligen dafür zu danken.
In Gevelsberg wird die Reliquie nicht, wie sonst üblich, einer Holzstatue des Heiligen umgehängt: „Die ist bestimmt 300 Kilogramm schwer, die können wir nicht nach Gevelsberg holen“, so Carmelo Dellaria. Hier wird sie Pfarrer Don Emilliano di Menza tragen. Sein erstes Ziel sind die Kranken der Italienischen Gemeinde, denen die Nähe und Fürsprache des Heiligen Kraft spenden soll. Am 10. Mai beginnt die Prozession um 13.30 Uhr mit der Ankunft der Reliquie und einer kleinen Andacht an der Kirche St. Engelbert. Ab 14 Uhr gehen die Gläubigen über die Mittelstraße und die Fußgängerzone zum Park am Ennepebogen. Dort findet um 15 Uhr die gemeinsame Eucharistiefeier statt. Danach kann jeder, der will, die Reliquie berühren und ein Stück gesegnetes Brot mit nach Hause nehmen. Bürgermeister Claus Jacobi freut sich, dass mit der Prozession und den Feierlichkeiten rund um die Reliquie die große Lebensfreude und die tiefe Volksfrömmigkeit Siziliens auch in Gevelsberg erlebbar werden. San Roccos Leben stehe für eine ergreifende Barmherzigkeit und Solidarität mit Armen und Ausgegrenzten. Damit gebe San Rocco Christen und allen Menschen guten Willens ein zurzeit besonders wertvolles Vorbild. Anlass der Feier ist der 100. Geburtstag der Gemeinde San Rocco in Butera.
Für die Prozession hat die Stadt zusammen mit der Polizei ein umfangreiches Sicherheitskonzept erarbeitet. Auch die Reliquie selbst wird in Gevelsberg stark bewacht.
Damit sind die italienischen Momente an diesem Tag und die Begegnungen mit der Kirche aber nicht vorbei. Am Abend wird in der Aula der Realschule Alte Geer das „Festa della Mamma“ gefeiert, bei dem die Mütter geehrt werden. Und das wie die Menschen Italien kennen und lieben: Mit Musik, Gesang, Tanz, Wein und gutem Essen. Und natürlich ist jede Gevelsbergerin und jeder Gevelsberger gern gesehen.
Eindrücke der Prozession und anschließenden Heiligen Messe am Ennepebogen
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