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Historischer Stadtrundgang: Es gibt eine Menge zu erzählen

Historischer Stadtrundgang: Es gibt eine Menge zu erzählen

„Gevelsberg, die Nachbarstädte und der ganze Ennepe-Ruhr-Kreis machen eigentlich viel zu wenig aus ihrer spannenden Geschichte“, meint Philip Wehringer, Teilnehmer am historischen Stadtrundgang. Eisenindustrie, Bahnverkehr, Nutzung der Wasserkraft, Wiege der Kohleförderung und die Geschichten um die Ermordung des einst mächtigsten Mannes der Welt würden nicht ausreichend anerkannt. Und wegen des historischen Mordfalls ist er heute hier, im Gevelsberger Dorf. Das Opfer vor 800 Jahren? Der Bischof von Köln, Reichsverweser, Vormund des Kaiserenkels und Graf von Berg, alles in einer Person. Oder kurz: Engelbert. Sein „runder“ Todestag wird in Gevelsberg 2025 das ganze Jahr gefeiert. Denn ihm verdankt die Stadt, dass es sie überhaupt gibt.

Historischer Stadtrundgang Thomas Seuthe
Historischer Stadtrundgang
Thomas Seuthe

An der Kirmesmauer mit vielen Erinnerungen an historische Höhepunkte des Volksfestes startet Jürgen Taake – Journalist, Kabarettist, Hobby-Historiker und einfach nur sympathisch - an diesem Tag seinen „Historischen Stadtrundgang“. Man ist schnell per Du in der kleinen Gruppe. Auch wer detailreiches Wissen besitzt, findet hier Raum, sich einzubringen. Jürgen Taake hört aufmerksam zu und gibt seinen Begleitern bereitwillig Gelegenheit, ihre eigenen Döneken – wie man hier sagt – zur Geschichte beizutragen. Die Bedeutung von Gevelsberg in der Geschichte wird oft verkannt, meinen viele Historiker. Wer mit Jürgen Taake auf Spurensuche geht, der schließt sich bald dieser Meinung an.

Der „Reiseleiter“ erzählt erst einmal nicht von Engelbert, sondern spricht über eine ganz andere für die Stadt wichtige Figur: Tante Anna. Für die ehemalige Symbolfigur der Gevelsberger Kirmes schlüpfte Mundartdichter Franz Holsteger in die Kleider einer trauernden Witwe. Und weil ihm das keiner nachmachen konnte, auch wenn sie es meinten, musste das für alle in der Stadt wichtigste verlängerte Wochenende des Jahres nach einem anderen Symbol suchen. Früher führte ein überdimensionaler Buntstift den Zug an, heute der Hammerschmied mit seinem schweren Werkzeug.

Philip Wehringer wohnt seit einem Jahr in Gevelsberg, kennt sich aber auf der Kirmes bestens aus. Christiane Buß lebt bereits seit 61 Jahren hier: „Aber“, sagt sie, „als Kind habe ich den Heimatunterricht in meiner Geburtsstadt Oer-Erkenschwick in der Schule bekommen. Den hole ich jetzt für Gevelsberg als Rentnerin nach.“ Wissen über die Heimat in der Schule vermitteln – ist das heute noch an der Tagesordnung? Die kleine Gruppe wird einen Augenblick nachdenklich.

Dann lauscht sie wieder ihrem „Heimatkunde-Lehrer“ Jürgen Taake, der auf eine Ziege an der Kirmesmauer zeigt: „Das ist eine Hippe. Aber, sie hat nichts damit zu tun, dass man die erste Ansiedlung der Stadt links und rechts der heutigen Elberfelder Straße noch Hippendorf nennt. Die Hippe war auch der Name einer kleinen Handsichel, die hier überall an den Feuern in den Werkstätten geschmiedet wurde.“

Historischer Stadtrundgang Thomas Seuthe
Historischer Stadtrundgang
Thomas Seuthe

Schließlich kommt Taake bei Engelbert an. Dort, wo ihn keiner vermutet: An der Einmündung des Lindengrabens am ehemaligen Pfarrhaus und heutigen AWO-Wohnheim. Hier und nicht hundert Meter weiter, wo sein Denkmal steht, musste der mächtige Stellvertreter des Kaisers und höchste Kirchenfürst im Lande sein Leben lassen. Das war genau vor 800 Jahren, am 7. November 1225. Das Denkmal haben die Gevelsberger ihm eher aus praktischen Gründen an diese bestimmte Stelle vor dem historischen Stift gesetzt: „Dort war ein alter Löschteich und der sollte weg.“ Den Tag, an dem Engelbert sterben musste, kennt die Wissenschaft inzwischen genau, allerdings nicht sein Geburtsdatum. Damit nahm man es nicht so genau.

Längst ist klar, dass die Gruppe nicht nach den geplanten 90 Minuten an ihrem Ziel sein wird. Man hat Zeit mitgebracht. Zu interessant sind die Geschichten. Wie die von der ersten Sparkasse. Ihr Leiter verwahrte das Vermögen seiner Kunden in einer Holztruhe auf und machte sie in der Nacht an seinen Fußgelenken fest. Oder die vom einzigen Steinhaus im Dorf. Dort wurden die Abgaben der Bauern in Naturalien verwahrt. In einem Fachwerkhaus wären sie schnell den Ratten und Mäusen zum Opfer gefallen. So gibt es viel zu erzählen von und über Gevelsberg von Jürgen Taake.

Das Jahr über finden samstags regelmäßig historische Stadtrundgänge statt. Es gibt zwei Varianten. Die 90-Minuten-Version, die um 16 Uhr beginnt sowie die längere Tour, bei der die Gruppe zweieinhalb Stunden unterwegs ist. Die Teilnehmer zahlen einen Kostenbeitrag von 8 bzw. 10 Euro. Anmeldungen sind online möglich.

  • 31.05.2025 (lang)
  • 12.07.2025 (kurz)
  • 26.07.2025 (lang)
  • 30.08.2025 (kurz)
  • 11.10.2025 (lang)
  • 25.10.2025 (kurz)


Im Rahmen des Engelbertjahres bietet die Stadt Gevelsberg darüber hinaus sechs zusätzliche und kostenfreie Stadtführungen im „Dorf“ an.

Samstag, 14. Juni, 17 Uhr
Samstag,  19. Juli, 17 Uhr
Freitag, 15. August, 16 Uhr
Montag,  20. Oktober, 10 Uhr
Sonntag,  02. November, 15 Uhr


21.05.2025