Gastgeber für Städtepartner gesucht: Keiner bleibt ein Fremder
Gastgeber für Städtepartner gesucht: Keiner bleibt ein Fremder
Wenn er von seinen Gästen spricht, dann gerät Kai Schievelbusch ins Schwärmen. Obwohl er zuerst kein Wort von dem verstanden hat, was sie gesagt haben. Er wusste auch nicht, welche Erwartungen sie hatten. Nur eins weiß der Judoka vom VfL Gevelsberg mit Sicherheit: „Man hat jede Menge Spaß miteinander.“ Kai Schievelbusch ist einer der Gastgeber für Menschen, die aus den Partnerstädten nach Gevelsberg kommen. Und er kann nur jedem raten: „Machen Sie es wie ich.“ Gevelsbergs Partner in den Nachbarländern brauchen kein eigenes Badezimmer, keine Sterne-Küche, noch nicht einmal ein eigenes Bett. „Bei mir haben sieben Besucher aus Vendôme auf einmal im Haus gewohnt. Dem Präsidenten unseres Partnerclubs haben wir wenigstens eine Doppel-Luftmatratze gegönnt.“
Marco Marcegaglia ist bei der Stadtverwaltung in Gevelsberg zuständig für den praktischen Teil der Pflege der Partnerschaften mit Vendôme in Frankreich, Butera in Italien und Sprottau in Polen. Die Partnerschaften sind lebendig. Das zeigen die gegenseitigen Besuche. Da kommt eine junge Frau aus Frankreich, um ihr Praktikum in Gevelsberg zu machen. Da reisen aber auch manchmal 500 Gäste an, um das Jubiläum einer Partnerschaft zu feiern. Dann braucht Marco Marcegaglia Übernachtungsmöglichkeiten: „Uns ist natürlich lieb, wenn wir mit der Suche nicht erst beginnen, wenn die Gäste sozusagen schon vor der Tür stehen. Besser ist es, wenn wir aus einem Fundus schöpfen können.“ Und deshalb ist er froh, wenn sich die Gevelsberger bei ihm melden und sie eine Beherbergungs-Möglichkeit für den Fall der Fälle anbieten. „Natürlich nehmen wir bei der Auswahl der Gäste Rücksicht auf die Gastgeber. Wir werden keinen Elfjährigen bei 80-Jährigen unterbringen.“ Noch nie hätte ein Gast unerfüllbare Ansprüche gestellt: „Sie wollen eigentlich wissen, wie wir leben, das ist alles.“
„Nur keine Berührungsängste haben“, rät Kai Schievelbusch, „keiner muss die Sprache seiner Gäste sprechen. Hände und Füße reichen vollkommen aus.“ Schievelbusch erinnert sich an den ersten Besuch der Judokas aus Vendôme im Jahr 1984 in Gevelsberg: „Wir wollten ein kleines Turnier veranstalten und stellten fest, dass ein Gast keinen Judoanzug dabei hatte.“ Da der Franzose auch noch einen gewissen Körperumfang aufweisen konnte, war es nicht leicht, passende Sportkleidung zu finden: „Wir sind mit ihm durch den ganzen Ennepe-Ruhr-Kreis gefahren, bis wir fündig geworden sind. Er war dann stolz wie Oscar auf seinen neuen Anzug.“ Als sie wieder dem Dolmetscher gegenüberstanden, gab es eine Überraschung: Der schwergewichtige Franzose war eigentlich der Fotograf, den die Vendômer zur Dokumentation ihres Besuchs mitgebracht hatten. „Wir haben dann gelacht und unser Gast schwärmte seinen Landsleuten vor, wie schön es im Ennepe-Ruhr-Kreis ist.“
Und weil solche Erlebnisse im Vordergrund stehen, freuen sich auch die Eltern von Kai Schievelbusch, wenn zu ihnen Gäste aus Vendôme kommen: „Und die sind immerhin 86 und 83 Jahre alt.“ Das Besuchsprogramm werde so gestaltet, dass Gastgeber und Gäste, nicht nur gemeinsam am Frühstückstisch sitzen, sondern auch sonst Zeit gemeinsam verbringen können. „Manche machen einen Ausflug, andere erzählen mir begeistert von einem fröhlichen Spieleabend“, berichtet Marcegaglia. „Die Fremdheit ist schnell komplett weg“, so die Erfahrungen von Kai Schievelbusch. Er macht gerne privat einen Abstecher in die französische Partnerstadt. Und er beherbergt zum Beispiel Vendômer, die von Zürich aus zurück in ihre Heimat wollen und in Gevelsberg vorbeischauen, „weil das doch auf dem Weg liegt.“
Kai Schievelbuschs Sohn René ist im Zeichen der Städtepartnerschaft groß geworden. Der heute 25-Jährige habe als Kind Vendôme für einen entfernt liegenden Stadtteil von Gevelsberg gehalten. Die Partnerschaft mit der Stadt in Frankreich wurde inzwischen schon von einer Generation zur nächsten vererbt. Sie besteht schließlich seit 1973. Sprottau kam 1996 und Butera im Jahre 2004 dazu. Und trotzdem verbinden auch diese Städte mit Gevelsberg schon viele private Freundschaften.
Wer einen Gast willkommen heißt, der muss nach zwei oder drei Nächten auch wieder Abschied nehmen. „Dann kullert auch die eine oder andere Träne“, erzählt Marco Marcegaglia. Nur, wer einem Praktikanten aus einer Partnerstadt eine Heimat auf Zeit gibt, der muss damit rechnen, dass der Gast einige Wochen bei ihm ist. Und danach kullert dann noch ein Tränchen mehr.
Wer das Tränchen in Kauf nimmt, der kann sich bei Marco Marcegaglia im Rathaus registrieren lassen.