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Bürgermeister Jacobi: Optimistischer Blick aufs Jahr

Bürgermeister Jacobi: Optimistischer Blick aufs Jahr

Es ist bereits zu einer Tradition geworden: Zu Beginn eines jeden Jahres schaut Bürgermeister Claus Jacobi zusammen mit dem Gevelsberger Journalisten Klaus Bröking zurück auf das vergangene Jahr und wagt einen Ausblick auf die kommenden Monate.

Frage: Sind Sie vom Jahr 2022 enttäuscht worden?

Claus Jacobi: Enttäuscht ist das falsche Wort. Ich bin entsetzt von dem schrecklichen Krieg der in Europa ausgebrochen ist und für den junge Leute auf der einen und anderen Seite ihr Leben lassen müssen, die sich sicherlich eine Zukunft gewünscht haben. Als wir vor zwölf Monaten zusammengekommen sind, sah alles so aus, als ob Corona bald besiegt sei und wir wieder ein normales Leben führen könnten. Und dann kam der Angriff Russlands auf die Ukraine. Das hat die Welt wieder verändert – nicht zum Guten.

Machen Ihre Familie und Sie sich selbst Sorgen um die private Zukunft?

Im September und Oktober hatten wir wirklich Bedenken, dass die Energieversorgung in Deutschland im Winter zusammenbrechen könnte. Im Augenblick glaube ich, dass wir in diesem Winter und im neuen Jahr sicher davor sind. Dass die Preise für den Lebensunterhalt dennoch hoch sind und auch extrem hoch bleiben, können wir aber einfach nicht wegdiskutieren. Für breite Schichten der Bevölkerung ist das eine Katastrophe.

Der Bürgermeister von Gevelsberg kann die Welt nicht besser machen, nicht den Krieg in der Ukraine beenden und auch nicht die Preise senken oder Energie erzeugen.

Da haben Sie natürlich Recht. Aber ein Bürgermeister muss auch nicht tatenlos zusehen.

Auf was spielen Sie an?

Sehen Sie, wir haben in Gevelsberg ganz konkret auf die Erhöhung der Grundsteuern verzichtet. Das ist uns nicht leichtgefallen. Wir brauchen das Geld eigentlich, weil es für eine Kommune immer schwieriger und genauso wie für ihre Bürger auch teurer wird, ihre Aufgaben zu erfüllen. Wir wollten die Menschen aber nicht noch zusätzlich belasten. Ich bin froh, dass unser Kämmerer Andreas Saßenscheidt einen Weg gefunden hat, die Steuern nicht erhöhen zu müssen. In so schwierigen Zeiten ist es wichtig, dass alle in einer Stadtverwaltung und in der Politik an einem Strang ziehen, damit so etwas möglich ist.

Wenn wir schon einmal bei der Gevelsberger Stadtverwaltung sind: Wie wirkt sich die Krise auf die Mitarbeiter aus?

Die Arbeitsbelastung ist natürlich wesentlich größer geworden. Die Zahl der Anträge auf finanzielle Hilfen ist stark angestiegen. Und auch in dieser Situation bleibt es unser Ziel, den Bürgerinnen und Bürgern so schnell wie möglich, zu helfen. Wir wissen, dass die Menschen, die durch die Krise in Not geraten sind, auf das Geld warten, das Ihnen natürlich auch zusteht. Eine Stadtverwaltung muss auch in der Krise verlässlich bleiben. Das ist die Herausforderung und ich muss mich bei allen im Rathaus bedanken, dass sie ihr Bestes geben, um dieses Ziel zu erreichen.

Und dann steigt noch die Zahl der Flüchtlinge, die sich in Gevelsberg in Sicherheit bringen wollen?

Natürlich steigt die Zahl sprunghaft an. Durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung Soziale Leistungen werden zurzeit rund 1.100 Flüchtlinge betreut. Es dürften allerdings noch wesentlich mehr sein, denn viele kommen auch privat unter. Ein großer Teil Geflüchteter wird auch durch die Ausländerbehörde des Ennepe-Ruhr-Kreises betreut.

Die Aufgabe wird also immer größer?

Ja, und es ist extrem schwierig, weitere qualifizierte Menschen zu finden, die uns als Mitarbeiter dabei helfen, diese Aufgabe zu meistern.

Die Menschen sind unter anderem im alten Rupprecht-Kaufhaus und in der ehemaligen Feuerwache untergebracht. Damit stockt die Entwicklung dieser innerstädtischen Projekte, auf die Sie als Bürgermeister so einen großen Wert legen.

Das ist die falsche Sicht von Ihnen. Ich bin heute noch mehr als je zuvor froh, dass die Stadt Gevelsberg das ehemalige Kaufhaus erworben hat. Wir müssen und wollen diesen Menschen ein Dach über dem Kopf geben. Im Rupprecht-Haus könnten wir zum Beispiel drei Etagen belegen. Die Alternative wäre gewesen, Turnhallen zu schließen, wie es in anderen Städten geschieht. Wir könnten auch Container anmieten und einen Zaun drum ziehen. Das hätte uns viele Millionen Euro gekostet und ich hoffe, dass wir das vermeiden können.

Ist der Zuwachs der Flüchtlinge, die zu uns kommen, nur mit dem brutalen Krieg in der Ukraine zu erklären?

Nein, auch die Zahl derjenigen Menschen, die aus dem Norden Afrikas oder Afghanistan zu uns kommen, ist stark angestiegen. Es sind auch viele Minderjährige darunter, die ohne ihre Eltern bei uns eine neue Zukunft suchen. Das ist für uns eine ganz besondere Herausforderung.

Fühlen Sie sich als Bürgermeister mit diesen Problemen alleingelassen?

Wie es unseren Bürgern, wie es den Flüchtlingen geht - welche Chancen unsere Kinder haben, ob unsere Wirtschaft zukunftsfähige Arbeitsplätze schafft: Das alles und noch vor viel mehr wird in Berlin oder Düsseldorf wesentlich entschieden, aber vor Ort muss es verflixt noch mal umgesetzt werden. Und das passiert nur, wenn die Dinge leistbar bleiben. Aber ja: Das sollte man auf höheren politischen Ebenen endlich anerkennen und uns die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen, zugleich aber auch darüber nachdenken, ob jeder Standard zu rechtfertigen ist. Ohne Korrekturen am System könnte es auch schnell einmal eng werden.

Es gibt gute Gründe für die Gevelsberger, sich auch auf das neue Jahr zu freuen. Über viele davon spricht Bürgermeister Claus Jacobi im zweiten Teil des Ausblicks auf das Jahr 2023.

03.02.2023