Christian Risse ist der Archivar »einer unfassbar spannenden Geschichte«
Christian Risse ist der Archivar „einer unfassbar spannenden Geschichte“
„Der südliche Ennepe-Ruhr-Kreis ist eine weitgehend unterschätzte Landschaft. Gevelsberg hat eine unfassbar spannende Geschichte.“ Ein bescheidener Bürger unserer Stadt würde sicherlich solche Worte nicht verlieren, ohne rot zu werden. Für Dr. Christian Risse ist es aber kein Eigenlob. Er ist geborener Sauerländer, dann hat es ihn nach Bochum verschlagen. Und weil er Gevelsberg als so spannend empfindet, ist er der neue Archivar der Stadt.
Je länger Christian Risse über die Stadt erzählt, umso stolzer werden seine Zuhörer, hier wohnen zu können oder besser gesagt zu dürfen. Der Wissenschaftler sieht die Stadt als einen Quell, um in die Geschichte einzutauchen. „Alleine vier Bahnstrecken haben hier einst durchs Tal geführt, dazu kam noch eine Straßenbahnlinie. Verschiedene Verkehrsträger wurden hier zusammengeführt. Das gab es nirgendwo sonst“, so der Archivar. Industriegeschichte ist sein Spezialgebiet, speziell die der Kokerei-Industrie. Und bei seinen Forschungen ist er immer wieder auf den Namen Gevelsberg gestoßen: „Und deshalb habe ich mich sofort beworben, als die Stelle ausgeschrieben wurde.“
Risse zeigt auf ein Bild im Flur zum Büro des Bürgermeisters. In der Mitte ist das Elektrizitätswerk der heutigen AVU abgebildet: „Auf die rauchenden Schornsteine in der Stadt waren die Menschen damals stolz.“ Mit dem heutigen Rupprechthaus hatten die jüdischen Brüder Rosenthal Anfang des 20. Jahrhunderts eines der ersten deutschen Kaufhäuser gegründet. Menschen lebten hier nicht erst nach der Ermordung von Erzbischof Engelbert, sondern vermutlich schon in der Steinzeit. Über den Strückerberg führte einst die wichtigste Verbindung nach Köln. Bereits im 15. Jahrhundert sei Kohle in Silschede abgebaut worden. Wesentlich früher als anderswo. Das Freibad im Stefansbachtal wurde 1914 eröffnet und ist damit die älteste Einrichtung dieser Art in Westdeutschland. Als zweite Stadt Deutschlands – nach Berlin – führte Gevelsberg die Straßenbeleuchtung ein.
„Krefft hat als erstes Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg die Deutschen mit Fernsehgeräten versorgt. Es gab hier zahlreiche in der ganzen Welt bekannte Unternehmen, Hidden Champions, wie man sie heute nennt. Wo sind sie geblieben? Warum sind sie verschwunden? Aus ihrer Geschichte können wir lernen“, versichert Risse. Und deshalb soll seine Detektivarbeit in der Vergangenheit immer praxisbezogen sein: „Wir müssen dabei als Wissenschaftler aus unserem Elfenbeinturm heraus. Und deshalb freue ich mich so auf die Zusammenarbeit mit dem Heimatverein oder dem Arbeitskreis Engelbert.“ Helfen wird Risse außerdem, dass er auch an der Fernuniversität Hagen engagiert ist.
„Wir haben mit Detlef Raufelder, der 51 Jahre bei unserer Stadtverwaltung gearbeitet hat, einen Archivar in den Ruhestand verabschiedet, der als überzeugter Vogelsanger den Blick auf die heimische Geschichte geschärft hat. Wir haben keinen Gevelsberger als Nachfolger, aber mit Dr. Christian Risse jemanden gefunden, der von unserer Heimat fasziniert ist“, sagt Bürgermeister Claus Jacobi. Er erinnerte aber auch an die anderen Aufgaben des Stadtarchivs. Hier werde das Handeln der Stadtverwaltung festgehalten. Das sei eine Pflicht, deren Erfüllung regelmäßig überprüft wird. Elektronische Aufzeichnungen würden immer mehr das Papier ablösen.