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09.06.2023

Die unglaubliche Geschichte des Gevelsberger Stadtzeichens

Die unglaubliche Geschichte des Gevelsberger Stadtzeichens

Es ist die Geschichte von Wasyl Seniw. Es ist auch die Geschichte von Dankbarkeit, Freundschaft, Angst und Krieg in der Ukraine. Es ist die Geschichte von Janusz Hajduk-Gubalke, dem in 2018 verstorbenen ehemaligen Stadtdirektor Volker Stein und dem verstorbenen Bundespräsidenten Johannes Rau. Es ist die unglaubliche Geschichte des Stadtzeichens von Gevelsberg am Nirgena.
Wir schreiben das Jahr 1987. Ein unscheinbarer Mann betritt das Gevelsberger Rathaus. Kein Fabrikant, kein Spekulant, noch nicht einmal ein Kaufmann oder ein selbstständiger Handwerker, das sieht man ihm auf dem ersten Blick an. Wasyl Seniw arbeitet als Hilfskraft bei Krefft und später bei Jellinghaus. Er war 1918 vor dem Krieg in seiner Heimat, der Ukraine, geflüchtet. Auch damals war die Sowjetunion bereits der Gegner. In Gevelsberg hatte Seniw Sicherheit gefunden, allerdings keine Familie, noch nicht einmal eine Partnerin.
Er kommt nicht allein ins Rathaus. Der Mann, der sich nur im gebrochenen Deutsch verständigen kann, bringt ein Sparbuch mit. 100.000 D-Mark beträgt das Vermögen, das er im Laufe der Jahre gespart hat. Damit, so erklärt er Stadtdirektor Volker Stein, will er seiner neuen Heimatstadt etwas Gutes tun, weil die Menschen ihn so herzlich aufgenommen haben. Ein Kunstwerk in der Öffentlichkeit schwebt ihm vor, ein Bronzeengel auf dem Friedhof.
Der Stadtdirektor ist verblüfft: „Ich habe Wasyl Seniw nach Hause geschickt, er sollte noch einmal darüber nachdenken“, erinnert er sich später. Nach vier Wochen kommt der Gast erneut vorbei und hat sein Sparbuch wieder dabei. Stein wird schnell klar, dass ein Bronzeengel auf dem Friedhof viel zu klein für die große Geste wäre. Volker Stein bat die Düsseldorfer Kunstakademie um Hilfe. Zu dieser Zeit unterrichteten dort zwei der bedeutendsten Künstler der modernen Zeit: der Maler Gerhard Richter und der Bildhauer Günther Ueker.
Acht Studenten machten sich an die Arbeit, um ein Kunstwerk zu entwerfen, das die Stadt Gevelsberg prägen sollte. Sie trafen sich im Kleingarten von Wasyl Seniw und waren von dem Mann und seiner Idee fasziniert. So sehr fasziniert, dass es für den Studenten Janusy Hajduk-Gubalke kein Halten, keine Grenzen mehr gab. Er entwarf ein monumentales Kunstwerk aus Stahl und Beton, das in Gevelsberg als „Senkrechtes Gestaltungsmerkmal in der Innenstadt“ Eingang in die Akten fand. „Das ist es“, dachte Volker Stein und musste auch sofort einsehen: „Das war auch mit den 100.000 Euro von Wasyl Seniw nicht zu bezahlen.
Stein hatte aber seine Rechnung ohne den Wirt, in diesem Fall die Gevelsberger, gemacht. Spenden von Sponsoren und der Sparkasse machten es möglich, nicht nur das Monument, sondern auch die Idee des Zweitplazierten, zu finanzieren. Der Traum von Wasyl Seniw war gerettet und hatte Dimensionen angenommen, die niemand für möglich gehalten hatte.
Hajduk-Gubalke wählte Beton und Stahl für sein Werk. Beides sei ein Symbol für Gevelsberg. Er berechnete die Größe und Ausdehnung seines Werkes nach komplizierten mathematischen Formeln, die sich auf die Sterne beziehen. Zu dem im Volksmund „Stadtharfe“ genannten Kunstwerk gehört noch eine Metallplatte im Stadtgarten mit der Inschrift der Sator-Arepo-Formel, die auf die Rätselhaftigkeit der Welt hinweist. Dieser zweite Teil der Skulptur wird kaum beachtet, obwohl Hajduk-Gubalke die Entfernung zum Stadtzeichen exakt berechnet hat. Die Formel dafür hängt heute neben der Eingangstür zum Vorzimmer des Gevelsberger Bürgermeisters. Und selbst Claus Jacobi ist noch nicht in Gefahr gekommen, nachzurechnen, obwohl er jeden Tag mehrfach daran vorbeigeht.
1989 wurde das „Stadtzeichen“ der Öffentlichkeit übergeben. Im kommenden Jahr könnte also der 35. Geburtstag einer Skulptur gefeiert werden. Das Jubiläum für ein Werk, das den Bereich der Kunst längst überschritten hat.

Die unglaubliche Geschichte des Gevelsberger Stadtzeichens ist noch lange nicht beendet. Lesen Sie in einer zweiten Folge über das Gevelsberger Wahrzeichen im Rathaus-Blog:

  • Wie Ministerpräsident Johannes Rau den Gevelsbergern das Herz für das Kunstwerk öffnete.
  • Was ist aus dem Künstler Janusz Hajduk-Gubalke geworden?
  • Wie löste das Stadtzeichen das Wappen als Symbol für Gevelsberg ab?
  • Wie wurde die „Harfe“ zum Zeichen der Freundschaft zwischen Vendôme und Gevelsberg?
  • Welches zweite Kunstwerk wurde durch die Spende von Wasyl Seniw noch in Gevelsberg verwirklicht?
  • Was hat das „Open-Air Museum“ Gevelsberg noch seinen Besuchern zu bieten?